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Macht Reichtum doch unglücklich?

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© picture-alliance / dieKLEINERT.d Immer weiter wachsen?

Machen Wirtschaftswachstum und materieller Wohlstand das Leben wirklich besser? Diese Frage ist ziemlich beliebt geworden. Viele arbeiten sich daran ab: Klimaschützer zum Beispiel, die auf Wirtschaftswachstum verzichten und so den CO2-Ausstoß senken wollen. Oder Politiker, die ihre Bürger über das schwache Wirtschaftswachstum der Nachkrisenjahre hinwegtrösten wollten. Auch viele Forscher stürzten sich auf dieses ewige Rätsel.

Lange glaubte die Welt an das “Easterlin-Paradox”, gefunden von Richard Easterlin, dem zufolge Wirtschaftswachstum auf Dauer nicht glücklich macht. Dann fiel dem Nobelpreisträger Daniel Kahneman und anderen auf, dass es so leicht nicht ist. Es gibt nämlich einen großen Unterschied zwischen dem Glück als guter Laune und dem Glück als längerfristiger Lebenszufriedenheit: Die Laune wächst mit dem Wohlstand nur begrenzt, die Lebenszufriedenheit schon. Werden wir irgendwann an Wachstum so satt, dass die Lebenszufriedenheit nicht mehr steigt? die amerikanischen Ökonomen Betsey Stevenson und Justin Wolfers sagen: nein.

Viel Geld, wenig Zufriedenheit

Jetzt kommt eine ganz neue Deutung ins Spiel, und zwar von Eugenio Proto von der Universität Warwick und Aldo Rustichini, der in Minneapolis arbeitet. In einer neuen Auswertung der Daten haben sie ausgerechnet: Eine hohe Wirtschaftsleistung im Land kann die Lebenszufriedenheit sogar möglicherweise senken.

Die beiden bestreiten nicht, dass die Menschen in reichen Ländern sehr zufrieden sind. Aus ihrer Studie ergibt sich nur Zweifel daran, dass das am Reichtum liegt. Erstens könnte es sein, dass die Menschen im Westen sich grundsätzlich zufriedener einstufen als andere Leute. Zweitens könnte es noch andere Einflüsse geben, die die bisherigen Studien ignoriert haben. Wenn zum Beispiel Demokratie die Menschen gleichzeitig reich und zufrieden macht, dann kommt die Zufriedenheit nicht vom Reichtum, sondern von der Demokratie.

Proto und Rustichini haben versucht, den Einfluss des Bruttoinlandsprodukts so auszurechnen, dass alle anderen Einflüsse wegfallen. Ihr Ergebnis: Proto und Rustichini sehen zwar immer mehr Zufriedenheit, wenn Länder sich aus der Armut befreien. In Ländern mit einer Wirtschaftsleistung von 15.000 Dollar pro Kopf wachse die Zufriedenheit aber kaum noch, und von 30.000 bis 33.000 Dollar Kaufkraft an geht es abwärts (in Deutschland wäre das von ca. 20.000 Euro an, Deutschland ist also auf der absteigenden Seite der Zufriedenheit).

© Proto / RustichiniLebenszufriedenheit und BIP

Der amerikanische Ökonom Justin Wolfers, der den Zusammenhang zwischen Geld und Glück gefunden hat, ist von ihren Ergebnissen noch nicht überzeugt. Er sagt weiterhin: In reicheren Ländern sind die Menschen zufriedener – und sei es aus anderen Gründen als dem Reichtum.

Wachstum ist trotzdem wichtig

Was aber, wenn Proto und Rustichini Recht haben? Wenn eine hohe Wirtschaftsleistung die Menschen unglücklicher macht, als sie sonst wären? Ist Wirtschaftswachstum dann nicht mehr so wichtig? Wer das glaubt, hätte die beiden missverstanden.

Die beiden haben nämlich auch eine Idee, warum die Lebenszufriedenheit in reichen Ländern geringer ist. Sie kommen zurück auf die “hedonistische Tretmühle”: Wenn das Land reicher wird, wachsen auch unsere Ansprüche – und die sind dann oft schwer zu erfüllen. Für reiche Länder könnte dieser Effekt besonders ausgeprägt sein.

Aber wenn ein Land dann auf das Wirtschaftswachstum verzichtet – dann sind die hohen Ansprüche noch schwieriger zu erfüllen.

 

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von Patrick Bernau erschienen in Fazit - das Wirtschaftsblog ein Blog von FAZ.NET.


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